Epidemic

Vorstellungen vom 17.06.2005 bis zum 30.06.2005.

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Lars von Trier: Europa

EPIDEMIC ist der zweite Film von Lars von Triers Europa-Trilogie, die der Regisseur bereits bei den Planungen des ersten Teils THE ELEMENT OF CRIME (1984) ankündigte. Mit der Veröffentlichung von EUROPA im Jahr 1991 wurde die Reihe abgeschlossen.
Eineinhalb Jahre arbeitet das eingespielte Produktionsduo Lars von Trier (Regisseur) und Niels Vørsel (Drehbuch) – das sich hier selbst spielt - bereits an einem Drehbuch, als es durch eine Computerpanne versehentlich gelöscht wird. Bis sie ihrem Produzenten ein vollständiges Skript auf den Tisch legen müssen, bleiben ihnen aber nur noch fünf Tage Zeit. Anstatt sich die Geschichte mühsam aus den Erinnerungsstücken zusammenzuschreiben, entscheiden sich die Beiden deshalb dazu einen komplett neuen Film zu konzipieren. EPIDEMIC gewährt so einen tiefen Einblick in die Entstehungsgeschichte des neuen Films „Epidemic“ und in dessen fiktionale Geschichte selbst, in welcher der Held Dr. Mesmers (auch gespielt von Lars von Trier) in einem aufopferungsvollen Kampf versucht, eine todbringende Plage zu bekämpfen.
Erst als das neue Drehbuch fertig geschrieben ist, bemerken von Trier und Vørsel, dass die Epidemie aus ihrem Film schon längst keine Unterschiede mehr zwischen real und fiktional macht und sich inzwischen unaufhaltsam in beiden Welten ausbreitet. EPIDEMIC wird so neben dem Spiel zwischen den Welten auch zum Spiel mit den Genres: von Horror wird in den Autorenfilm gesprungen, vom Künstlerischen in reinen Splatter. Der Film-im-Film ist genau so experimentell wie schizophren, und gerade deshalb immer originell.

Bei einer Computerpanne wird das Drehbuch zum Film "The whore and the cop" (eine unmißverständliche Anspielung auf die beiden Hauptpersonen des vorangegangen Von Triers Films THE ELEMENT OF CRIME) von der Festplatte gelöscht. Eineinhalb Jahre Arbeit sind damit plötzlich zu Nichte gemacht. Doch anstatt das Projekt noch einmal aufzuschreiben, beschließt das Produktionsduo Lars von Trier und Niels Vørsel sich schnell ein komplett neuen und dynamischeren Film auszudenken. Dafür bleiben ihnen aber nur fünf Tage Zeit bis das Drehbuch den Geldgebern beim dänischen Filminstitut präsentiert werden muss.
Ein Titel und eine Idee für den neuen Film ist schnell gefunden: "Epidemic" erzählt die Geschichte von Dr. Mesmer , der mit Hilfe von Aspirin einen aussichtslosen Kampf gegen eine qualvolle und todbringende Pest bestreitet. Allein an der Umsetzung der Idee hapert es aber noch. Daraufhin werden Lars und Niels in EPIDEMIC fast dokumentarisch auf ihrer Suche nach Inspiration begleitet und begeben sich in die Pathologien von Krankenhäusern oder auf eine Ruhrgebietsreise, auf der das Geheimnis der Streifenzahnpasta gelöst wird und Udo Kier in Köln von den schrecklichen Erlebnissen seiner Mutter während eines Luftangriffs auf die Stadt im zweiten Weltkrieg erzählt.
Währenddessen beginnt "Epidemic" als Film-im-Film langsam Gestalt anzunehmen. Wie ein Brandzeichen prangert der rote Schriftzug des Films im rechten oberen Bildrand, seit Vørsel die Überschrift und damit die ersten Buchstaben des neuen Drehbuchs in eine alte Schreibmaschine getippt hat.

Gegen den Willen seiner Kollegen begibt sich Dr. Mesmer in die Epidemiezone und kämpft von Idealismus getrieben auf einsamer Spur gegen die Pest. Für seine Aufopferung haben die beiden Filmemacher aber nur ein müdes Lächeln übrig. Von Anfang an ist geplant, dass er eigentlich derjenige ist, der die Seuche verbreitet. "Ohne seinen Idealismus gäbe es gar kein Problem!", meint Lars dazu und genehmigt sich hämisch grinsend ein Bier.

Nach fünf Tagen hat das Produktionsduo gerade mal zwölf Seiten auf Papier. Die Produzenten sind davon alles andere als begeistert, besteht ein normales Drehbuch doch aus mindestens 150 Seiten. Um das Buch "ins rechte Licht zu rücken", engagieren Lars und Niels einen Hypnotiseur, der eine Frau in den Film "Epidemic" transportieren soll. Das Experiment funktioniert prächtig, doch scheitern alle Versuche die Dame wieder in die Realität zurückzuholen. Entgeistert durchlebt sie, wie sich im Filmszenario von der Pest befallenen Menschen übergeben und zerfressene Körper in Massen von Wägen gekippt werden.

Als EPIDEMIC zu seinem blutigen Ende kommt, müssen die beiden Filmemacher erkennen, dass auch sie Geschwüre auf ihrem Körper tragen. Ihr Film ist inzwischen aus seiner Welt herausgewachsen und ist weit kraftvoller als beabsichtigt: die Epidemie ist in der realen Welt angekommen und bringt auch dort unaufhaltsam Tod und Verderben.

Dänemark 1987, 106 Min., OmU, R: Lars von Trier, Mit: Lars Von Trier, Udo Kier, Gitte Lind, Niels Vorsel u.a.