ostPunk! too much future

Vorstellungen vom 27.09.2007 bis zum 17.10.2007.

Infos

Dieser Film ist ebenso laut und authentisch wie das politische und ästhetische 'Nein' von Punk.

Punk im Osten, das war Subkultur im anderen Deutschland, das war Tumult, das war totale Verweigerung. Die Punks in der DDR stießen an die Grenzen eines Systems, das seine Jugend steuern wollte, von dem sie sich aber nicht lenken ließen. Im Konflikt zwischen Kollektiv und Individuum, Zukunftsnorm und Lebenslust, schrieben sie ein bizarres Kapitel ostdeutscher Geschichte. Entlud sich das soziale Elend englischer Teenager in dem Aufschrei 'no future', so ist das Elend einer verplanten DDR-Jugend treffender mit 'too much future' beschrieben. Punkbands wie Wutanfall, Schleimkeim, L’Attentat, Betonromantik oder Planlos stemmten sich gegen einen verordneten Zukunftsoptimismus und eine soziale Überversorgung.

Der Film porträtiert die Biografien einiger Protagonisten der frühen Ostpunk-Bewegung über den DDR-Infarkt hinaus, erzählt von Anpassung, Konsequenz, Zwängen, Unabhängigkeit und von der Verwandlung der Ablehnung in künstlerische und politische Praxis. So gerät der Film nicht zur Musealisierung einer Bewegung oder zur ideologischen Abrechnung, sondern zum mitreißenden Porträt einer Subkultur, einer der wertvollsten und folgenreichsten Eruptionen im unerschütterlichen Glauben an eine Utopie, die zur Ideologie geriet.

ostPUNK! too much future erzeugt durch rhythmisch montierte Bildcollagen einen Sog. Aktuelle Filmaufnahmen werden mit unveröffentlichtem original Super-8-Material kombiniert, DDR-Propagandafilme prallen auf Animationen mit Clipcharakter. Fotos und Filme zu Ostpunk waren in dieser Fülle bisher nicht zu sehen. Die ehemals illegalen Aufnahmen von DDR-Punkbands dürften in dieser Bandbreite bisher einmalig sein. Der Dokumentarfilm ist daher zugleich Pop und ein Musikfilm. Er ist eine kritische wie kraftvolle Auseinandersetzung mit der Gegenkultur im Osten und ihrer Repressionsgeschichte.

Verleih
Passend zum derzeitigen Punk-Revival bietet der Film ungeahnte Einblicke in die Punk-Szene der DDR, und man merkt schnell, dass der "Wilde Osten" nicht nur ein dummes Schlagwort, sondern für manche gefährliche Realität war. kinozeit.de

Hier haben sich welche ausgelebt und eingebracht, haben vieles gesehen, sind selbst ins Visier geraten und haben bei all dem doch einen frischen und sehr eigenen Blick auf das Leben und sich selbst bewahrt – Punk is not dead! schnitt

Die DDR-Punkszene war für die meisten bislang eine Terra incognita. ostPunk! too much future porträtiert sechs ihrer Protagonisten und wartet mit spektakulärem, größtenteils unveröffentlichtem Archivmaterial auf.

Nicht alles in ostPunk! too much future also mag westsozialisierten Linken schmecken, einiges mag sie irritieren. Die enge Beziehung der Szene zur Kirche zum Beispiel, die den Punkbands Unterschlupf und Raum für Konzerte bot. Auch wirbelt der Film Zeichensysteme tüchtig durcheinander. Wer im Westen hätte je von einer engen Symbiose zwischen Punk und Rugby gehört? Wer ließ sich je von seiner Oma Exploited-Platten mitbringen? Im Osten eine Notwendigkeit, weil nur Rentner ausreisen und solche Machwerke über die Grenze bekommen konnten, ohne Verdacht zu erregen. Originäre DDR-Geschichte ist der Film also, weil er eine Spielart des Punk zeigt, die nur unter den spezifischen Bedingungen dieses Staates denkbar war. Universal ist er, weil er zeigt, dass Punk stets Ausdruck und Folge des unversöhnlichen Gegensatzes zwischen Staat und Individuum ist.critic.de

D 2007, 93 Min., R: Carsten Fiebeler, Michael Boehlke, dokfilm