Losers and Winners
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Erstaufführung!!!!
Eine riesige Kokerei ist in Dortmund an China verkauft worden. Eine Menge chinesischer Arbeiter machen sich daran, die hoch moderne Industrieanlage zu zerlegen. Einige der ehemaligen Arbeiter aus dem Ruhrgebiet helfen ihnen dabei, mal verwundert über die chinesische Arbeitsweise, mal recht wehmütig: Schließlich legen sie selbst Hand an, ihren eigenen Arbeitsplatz abzubauen.
Zwei Welten treffen hier aufeinander. Einerseits die effiziente Herangehensweise der Chinesen, ohne Rücksicht auf Arbeitssicherheit und Arbeitszeiten, fernab ihrer Heimat mit all den großen Belastungen und Konflikten. Andererseits der Ruhrpottkumpel mit seinem seit Jahrzehnten gewerkschaftlich geschulten, romantischem Arbeitsethos. Das ist natürlich sehr traurig, entbehrt aber auch nicht einer gewissen Komik. - Natürlich erzählt der Film ganz nebenbei und hautnah eine Geschichte von der globalisierten Arbeitswelt.
Denn auch sonst ist es den Filmemachern vor allem durch ihr genaues geduldiges Hinschauen gelungen, die Widersprüchlichkeiten der großen Weltlage immer wieder mit neuen Fragen und Anregungen zu füttern und dabei nie den Blick auf das Konkrete zu verlieren.
Silvia Hallensleben, epd Film, März 2007
Chinesischer Zukunftsoptimismus, aus den Gesichtern leuchtend und mit Mao-Zitaten täglich angefacht, und europäische Selbstgenügsamkeit, die die Geschichte bestrafen wird – wohl noch nie im Kino konnte man die Symptome einer Zeitwende derart hautnah miterleben wie in dieser bestechend genauen und mit treffender Ironie gewürzten Beobachtung.
Hans-Jörg Rother, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. November 2006
Ulrike Franke und Michael Loeken (...) sind die Meister des pointierten Erzählens im deutschen Dokumentarfilm. Kaum einem gelingt es wie ihnen, Witz und Melancholie bisweilen in einem Bild zu vereinen, kaum einem, Protagonisten zu finden, die eine zum Lachen komische und zum Weinen traurige Ambivalenz in sich tragen.
Mark Stöhr, schnitt.de
Hintergrund
Nur wenige rostige Schilder erinnern heute noch an das einstige Zentrum der deutschen Kohle- und Stahlindustrie - mit der Dortmunder Kokerei Kaiserstuhl ist das letzte Relikt des Montanzeitalters an der Ruhr verschwunden. Dabei hatte die Deutsche Steinkohle (DSK), Tochter des RAG-Konzerns, große Pläne, als sie nach fünfjähriger Bauzeit das Werk 1992 in Betrieb nahm.
Die 650 Millionen Euro teure Anlage, weltweit die modernste ihrer Art, sollte das benachbarte Stahlwerk der damaligen Hoesch AG für viele Jahre mit Koks versorgen - gemäß eines langfristigen Vertrags, der vorsah, dass deutsche Stahlwerke deutschen Koks kauften. Als der Vertrag jedoch 1999 auslief und Hoesch vom Krupp-Konzern geschluckt wurde, steuerte die hiesige Stahlindustrie um: Fortan bezog man Koks aus China und Polen - fünfzehn Euro pro Tonne billiger. Das Ende von Kaiserstuhl nahm seinen Anfang und wurde endgültig besiegelt, als Thyssen und Krupp Ende der Neunziger Jahre fusionierten und beschlossen, die gemeinsame Produktion in Duisburg zu konzentrieren.
Der Standort Dortmund hatte damit ausgedient - nach nur acht Jahren Betriebszeit wurden die Öfen von Kaiserstuhl stillgelegt und die etwa 450 Arbeiter in andere Werke der DSK oder in die Arbeitslosigkeit geschickt.
Der Deal
Brasilien, Indien, Südafrika - interessiert waren viele Länder an der Dortmunder Anlage, mehr als den Verschrottungspreis wollte allerdings keiner bieten. Nur Luan Wei, Chef des in Bochum ansässigen Handelshauses Famous Industrial, war bereit, für die Kokerei samt Demontage und Transport zu investieren - insgesamt 60 Millionen Euro, wie trotz Stillschweigensvereinbarung unter den Verhandlungspartnern bekannt wurde. Experten vermuten, dass der reine Kaufpreis dabei etwa die Hälfte betragen haben dürfte.
Der ernorme Stahlbedarf im boomenden China und seine guten Verbindungen in die Heimat, so Luans Kalkül, sollten es ihm leicht machen, die Kokerei an ein chinesisches Unternehmen weiterzuverkaufen. Durchaus ein riskantes Geschäft, obgleich er schon einige Werke aus Europa ins "Reich der Mitte" geholt hatte - darunter 48 in Deutschland als ineffizient geltende Industrieanlagen wie etwa die Kohleaufbereitungswerke in Bergkamen und Hückelhoven.
Luans Strategie ging auf. Nur zwei Monate nach Vertragsunterzeichnung mit der DSK fand er im Januar 2003 einen potenten Interessenten: Der staatliche Konzern Yangkuang wollte die Anlage in der Stadt Jining in der nordöstlichen Provinz Shandong betreiben und schickte kurzerhand die ersten Ingenieure nach Dortmund, um eine der größten Industrieumsiedlungen der Geschichte und zugleich die weltweit erste Verlagerung einer Kokerei zu planen.
Die Nachfrage der Chinesen an ausländischen Werken nimmt derweil zu und lässt Luans lukrative Geschäfte gedeihen. So geht für media/imagestrial die Suche nach ausgedienten Kokereien und anderen Werken weiter.
Das sogenannte "Goldene Demontagezeitalter" hat erst begonnen.
D. 2006, 96 Min. dt./ chin. OmU, R: R. Ulrike Franke, Michael Loeken