Pepi, Luci, Bom and Other Average Girls

Infos

Spanien 1980
Sprache(OF): spanisch
Regie: Pedro Almodóvar
Drehbuch: Pedro Almodóvar
Darsteller: Alaska, Carmen Maura, Félix Rotaeta
82 min

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IMDb (english)

5. Visionär Film Festival Berlin – Encounters With New Talents

Hommage an Pedro Almodóvar

Bild © Alenda S.A.

© Alenda S.A.

Abgesehen von seinen vielzähligen Auszeichnungen (er hat zwei Oscars, fünf Baftas, zwei Emmys, sechs European Film Awards, zwei Golden Globes, neun Goyas und vier Preise in Cannes gewonnen), ist Pedro Almodóvar einer der wichtigsten Regisseure, Drehbuchautoren, Produzenten und Intellektuellen der Postmoderne.

Durch seine einzigartige kinematographische Sprache, in der sich unterschiedlichste Genres, wie Melodrama, US-amerikanische Komödie, französischer Film Noir, Thriller, Neo-Realismus und sogar Horror vermischen, wurde er zu einer weltweiten Ikone. Sein Werk ist vielfach von Regisseuren wie Rainer Werner Fassbinder, Douglas Sirk, John Waters, Jean-Pierre Mevlille, John Cassavetes und Luis Buñuel inspiriert und übertrifft in einigen Fällen sogar das Original. Dabei stets mit einer exquisiten Inszenierung, die sowohl poppig als auch campy ist und einem überaus gefühlvollen Soundtrack, in dem Boleros, Rancheras, Punk, Jazz und Flamenco eklektisch glänzen.

Doch so überwältigend Almodóvars Ästhetik ist, so überwältigend sind auch seine Figuren und Themen. Almodóvars Filmografie ist geprägt von starken Frauenfiguren; die Populärkultur hat für ihn den Begriff „Almodóvar-Girl“ geprägt. In seinen Filmen gibt es immer Frauen, die stark, hilfsbereit und fähig zu Freundschaft oder Liebe sind. Diese Frauen wurden von Penélope Cruz, Carmen Maura, Victoria Abril, Chus Lampreave und Rossy de Palma gespielt, um nur einige zu nennen. Mit diesen „Almodóvarischen Frauen“ hat der Regisseur schöne und tiefgründige Reflexionen über Leidenschaft, Schicksal, Familie und Identität geschaffen und dabei mit Humor und Eleganz das Spanien seiner Zeit seziert. Er hat mit uns über katholische Erziehung, geschlechtsbezogene Gewalt, historische Erinnerung, die Wirtschaftskrise und politische Unsicherheit gesprochen.

Aber falls es ein Thema gibt, das in seinem Werk im Vordergrund steht, so ist es die Sehnsucht, der irrationale Trieb mit dramatischen Folgen. Dieses Verlangen ist so wesentlich für die Filmsprache des Regisseurs, dass er zusammen mit seinem Bruder Agustín eine Produktionsfirma namens El deseo gründete, von der aus seit 1987 alle Filme des Autors und anderer Autor*innen wie Isabel Coixet und Lucrecia Martel produziert wurden.

Die verschiedenen Phasen seines Filmschaffens lassen sich durch unterschiedliche Zustände des Begehrens beschreiben:

- Das subversive Begehren (1980 - 1987): Kino im Kontext der „La Movida Madrileña“, einer Kulturbewegung, die unmittelbar nach dem Tod des Diktators Franco begann. Daraus resultierte das Ende von Zensur und der Anfang einer modernen Demokratie, was einen Wertewandel in der spanischen Gesellschaft bedeutete. Almodóvars Kino ist sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich seiner Machart äußerst provokant. Mit einem sehr geringen Budget drehte Almodovar seinen ersten Film: Pepi Luci Y Bom y otras chicas del montón (Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande, 1980), den das Festival zu Ehren des Regisseurs im Rahmen der Hommage zeigen wird. Der Film verbindet Szenen von Sadomasochismus, lesbischer Liebe und Alternativkultur. Aus dieser Phase sind Laberinto de pasiones (Labyrinth der Leidenschaften, 1982), ¿Qué hecho yo hecho yo para merecer esto! (Womit hab’ ich das verdient?, 1984) und der erste von seiner eigenen Produktionsfirma produzierte Film, La ley del deseo (Das Gesetz der Begierde, 1987) hervorzuheben.

- Das körperliche Begehren (1988 - 1997): Pedro Almodóvar dreht Filme über unbändige Leidenschaften, perfektioniert seine Form und feiert internationale Erfolge, darunter seinen urkomischen Kultklassiker Mujeres al borde de un ataque de nervios (Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, 1988) und Átame (Fessle mich!, 1989).

- Das Begehren der Identität (1999 - 2006): Eine Phase, in der die Suche des Autors nach der eigenen Identität sowie seine Beziehung zu seiner Homosexualität und dem Thema Mutterschaft deutlich werden. In dieser Phase gewinnen auch die Handlungen seiner Filme an dramatischer Komplexität, während sein nationales und internationales Ansehen den Höhepunkt seiner Karriere erreicht. Aus dieser Zeit stammen auch seine Meisterwerke: Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter, 1999) und Hable con ella (Sprich mit ihr, 2002).

- Das introspektive Begehren (2009 - heute): In dieser letzten Phase entfernt sich Almodóvars Kino von der Provokation, die den Beginn seiner Karriere charakterisierte und nähert sich einem bitteren und ernsten Klassizismus an, wie in Julieta (2016) und Dolor y gloria (Leid und Herrlichkeit, 2019).

Zweifelsohne löst Almodóvar mit jedem seiner Filme einen Wirbelsturm aus, und das ist kein Wunder, denn sein Kino geht über das Filmische hinaus. Unser Leben ist almodóvarisch: die gemusterte Tapete im Lieblingscafé, die coolsten Ohrringe im Laden, ein Feuerzeug mit Zebra-Print, ein Winter in Madrid, das Lied, das dich zum Weinen bringt, und jenes, zu dem du lauthals im Auto mitschreist, die roten Valentino-Lippen, die Disco mit rosa Pelz, unsere Freunde und Schwestern, die Tragödie wenn eine Beziehung übers Telefon beendet wird, mein Dildo. Wir erleben unser Leben, als hätte es sich bereits in einem Almodóvar-Film abgespielt. Wir leben und wir wollen das in einem seiner Filme tun.

In ihrer Rede bei der Verleihung des „Goldenen Löwen – Ehrenpreis für ein Lebenswerk“ in Venedig 2019 widmete ihm Lucrecia Martel folgende Worte: „Lange bevor Frauen, Homosexuelle, Transfrauen in Massen auf begehrten gegen den miserablen Platz, den wir in der Geschichte hatten, hatte Pedro uns bereits zu Heldinnen gemacht“, und genau das ist es, was Pedro auszeichnet und hoffentlich noch lange Zeit unserem Leben einen Sinn gibt.

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Homage to Pedro Almodóvar

Awards aside (he has won two Oscars, five Baftas, two Emmys, six European Film Awards, two Golden Globes, nine Goyas and four prizes at Cannes) Pedro Almodóvar has proven to be one of the most important directors, screenwriters, producers and intellectuals of postmodernity.

He has become a global icon for his unique cinematic language, creating a pastiche of different genres where melodrama, American comedy, French noir, thriller, neo-realism and even horror intermingle. His work is often inspired by directors like Rainer Werner Fassbinder, Douglas Sirk, John Waters, Jean-Pierre Mevlille, John Cassavetes and Luis Buñuel where on many occasions they even surpass the original. Always with an exquisite pop and camp mise-en-scene and a hyper sentimental soundtrack where boleros, rancheras, punk, jazz, and flamenco shine eclectically.

But if Almodóvar is overwhelming in his aesthetics, he is no less so in his characters and themes. Almodóvar's filmography is full of powerful female characters; the term "Almodóvar girl" has been coined for him by popular culture. In his films there is a woman who is always strong, supportive and capable of friendship or love. These women had been played by Penélope Cruz, Carmen Maura, Victoria Abril, Chus Lampreave, Rossy de Palma to name a few. With these Almodovarian women, the director has achieved beautiful and deep reflections on passion, destiny, family and identity while dissecting with humor and elegance the Spain of his time. He has spoken to us about Catholic education, gender violence, historical memory, the economic crisis and political uncertainty.

But if there is a theme that has been at the forefront of his work, it is Desire, an irrational drive with dramatic consequences. This yearning is so essential to the director's cinematic language that he founded, together with his brother Agustín, a production company called El deseo, from which all the films of the author and other authors such as Isabel Coixet and Lucrecia Martel have been produced since 1987.

Through desire I wanted to differentiate in a personal way the different stages of the director's cinema:

The Subversive Desire (1980 - 1987): cinema framed in the context of "La Movida Madrileña", a cultural movement that begins right after the death of the dictator Franco; the end of censorship and the beginning of a modern democracy and that means a change of values in Spanish society. Almodóvar's cinema is highly provocative in its content and provocative in its means. With a very low budget, Almodóvar shoots his first film: Pepi Luci y Bom y otras chicas del montón (1980), a work that the festival has chosen to pay tribute to the director. The film combines scenes of sadomasochism, lesbian romances and alternative culture. From this period we can highlight Laberinto de pasiones (1982), ¿Qué he hecho yo para merecer esto! (1984) and the first film produced by his own production company, La ley del deseo (1987).

The Carnal Desire (1988 - 1997): Pedro directs films of raging passions, while perfecting his form and achieving international success, including his iconic and hilarious Mujeres al borde de un ataque de nervios (1988) and Átame (1989).

The Identity’s Desire (1999 - 2006): A stage in which the author's own search for identity and his relationship with his homosexuality and motherhood is obvious. Also in this period the plots of his films gain dramatic complexity while his national and international prestige reaches the zenith of his career. From this period are his masterpieces: Todo sobre mi madre (1999) and Hable con ella (2002).

The Introspective Desire (2009 - present): in this last phase Almodóvar's cinema moves away from the provocation of the beginning of his career and approaches a bitter and solemn classicism as with Julieta (2016) and Dolor y gloria (2019).

Undoubtedly, Almodóvar continues to cause a cyclone with each film he releases, and no wonder, because his cinema transcends the cinematic. Our lives are Almodovarian: the patterned wallpaper in your favorite coffee shop, the coolest earrings in the store, a zebra-print zippo, a winter in Madrid, the song that makes you cry and the one that makes you scream your head off in the car, Valentino red lips, the disco with pink fur, our friends and sisters, the tragic of a breakup over the phone, my dildo. We experience our lives as if it had already happened in an Almodóvar movie. We live and want to live in one of his films.

Lucrecia Martel dedicated these words to him in her speech at the awarding of the honorary Golden Lion in Venice in 2019: "Long before women, homosexuals, trans women, got fed up en masse with the miserable place we had in history, Pedro had already made us heroines" and it is that Pedro gives, and hopefully for much more, meaning to our lives.

Daniel Sánchez López


Plot: Almodovar's first film of life in Madrid during the punk era and not one for the squeamish. He covers everything from drugs and sexual violence, to female masochism.