My Mexican Bretzel

Infos

Spanien 2019
Sprache(OF): englisch
Regie: Nuria Giménez
Drehbuch: Nuria Giménez
73 min

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IMDb (english)

5. Visionär Film Festival Berlin – Encounters With New Talents

„Verlangen, Lügen und Filmbänder”

Die Schweiz in der Mitte des 20. Jahrhunderts: Vivian Barrett, eine Frau aus der Oberschicht, gesteht ihre Sehnsüchte und Ängste in Form eines Filmtagebuchs und wird zum dokumentarischen Phänomen des Augenblicks.

Je weniger die Zuschauer*innen über dieses reizvolle Experiment lesen und erfahren, desto besser. So besticht My Mexican Bretzel durch seinen Inhalt: ein Douglas-Sirk-artiges Melodram über Untreue, versteckte Leidenschaften und die Unzufriedenheit des europäischen Bürgertums der 1940er, 50er und 60er Jahre.
Vor allem aber zeichnet er sich durch seine Form aus. Nuria Giménez Lorang recycelt atemberaubende, auf 16mm und Super 8 gedrehte Bilder aus den Archiven der Familie (speziell von ihren Großeltern mütterlicherseits), um eine neue Geschichte zu erfinden, wobei sie die ursprüngliche Bedeutung der Bilder respektiert.

Die Texte der Tagebücher von Vivian haben eine hypnotische Schönheit; der Schnitt ist intelligent, denn die Regisseurin nutzt Ellipsen, um auf nur 70 Minuten Filmlänge beinahe 30 Jahre eines romantischen Lebens zu verdichten, und unterstreicht dabei die Verwendung des Tons - oder besser gesagt, das Fehlen davon, denn das phantasmagorische Design der Stille ist atemberaubend.

Giménez Lorang verwendet Bilder, die mehr als ein halbes Jahrhundert alt sind, um über zeitgenössische Dinge zu sprechen: einerseits über das weibliche Begehren, das von den Männern unterdrückt wird, und andererseits über das Post-Faktische.
Die Autorin warnt uns, dass die Lüge nur eine andere Art ist, die Wahrheit zu sagen, und zwingt uns, die Fiktion des Kinos (und unserer Zeit) als eine Fabrik der Postwahrheiten zu hinterfragen. Man schaut diesen Film mit offenem Mund und pochendem Herzen und mit dem Gefühl, dass man so etwas im Kino noch nicht erlebt hat, denn My Mexican Bretzel ist äußerlich so brillant und evokativ, wie er innerlich komplex und pervers ist.

Daniel Sanchez Lopez

Nuria GÍMENEZ (*1976, Spanien) studierte Journalismus, Internationale Beziehungen und Dokumentarfilm. Nach ihrem Studium vertiefte sie ihr Wissen über das Filmemachen durch den Besuch von Masterclasses und Seminaren von Filmemacher*innen wie Virginia García del Pino, Wang Bing und Stephen Frears. 2017 drehte sie ihren ersten dokumentarischen Kurzfilm Kafeneio. Er wurde auf der DocumentaMadrid und dem Bogota Documentary International Film Festival gezeigt. My Mexican Bretzel (2019) ist ihr erster Spielfilm.

Filmografie
Kafeneio (2017, dokumentarischer Kurzfilm)
My Mexican Bretzel (2019)


Plot: “Desire, Lies and Videotapes" An upper-class woman, Vivian Barrett, in mid-20th century Switzerland confesses her desires and fears in the form of a film diary and becomes the documentary phenomenon of the moment. The less the viewer reads and learns about this delightful experiment of a film, the better. With this in mind, it can be said that My Mexican Bretzel stands out for its content: a Douglas Sirk-like melodrama about infidelities, hidden passions and the unhappiness of the European bourgeoisie of the 40s, 50s and 60s. But above all it stands out for its form. Nuria Giménez Lorang recycles stunning images shot in 16mm and super 8 from her own family archive in order to imagine a new story, while respecting the original meaning of the images. The diaries of Vivian are portrayed with a hypnotic beauty thanks to the brilliant editing. The director takes advantage of ellipses that condense nearly 30 years of a romantic life into 70 minutes, all the while deploying a phantasmagoric use of sound and silence to develop the story. Giménez Lorang uses images more than half a century old to talk about present-day themes, including the silencing of women by men, and, more broadly, the troubling ways that truth can be constructed. The author warns us that a lie is another way of telling the truth. and she pushes us to question the nature of cinema as a manufacturer of post-truths. Viewers will experience this film with jaws dropped and pulses racing, and with the sense that they have not seen anything similar in a theatre before. My Mexican Bretzel is as brilliant and evocative on the outside as it is complex and perverse on the inside. Daniel Sanchez Lopez