Funny Games U.S.
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Michael Haneke Doppel
Stumpft uns die allgegenwärtige Gewalt auf sämtlichen Kanälen immer mehr ab? Werden Mord, Demütigung und Folter zum Gesellschafts- und Computerspiel? Regisseur Michael Haneke hat davor schon vor elf Jahren in seinem Film Funny Games gewarnt. Jetzt kommt das Remake in die Kinos: eine beklemmende Reflexion über den Zynismus der Bilder und das Leiden der Opfer, die heute aktueller ist denn je.
Es ist ein Remake der besonderen Art: derselbe Regisseur, dasselbe Drehbuch, die Szenenfolge eins zu eins nachgebildet. Nur der Drehort und die Schauspieler haben gewechselt: Statt der deutschen Theater-Ikonen Susanne Lothar und Ulrich Mühe in den Rollen des gepeinigten Ehepaars nun die Hollywoodstars Naomi Watts und Tim Roth. Sogar das mondäne Ferienhaus, in dem die Opfer festgehalten werden, wurde nach dem Vorbild aus dem ersten Film nachgebaut. Für die Außenaufnahmen fand der Regisseur in den USA Landschaften, die die gleichen Einstellungen möglich machten.
Wozu aber das Ganze? Warum nicht das 1997 gedrehte Original anschauen? „Der Film war bereits 1997 nicht nur vom Titel, sondern auch von allen Ingredienzien her für ein englischsprachiges Gewaltkonsumenten-Publikum gedacht“, erklärte Haneke in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt. Aber die Zielgruppe bekam den Streifen nicht zu Gesicht, weil er nur in Europa lief, und da vor allem im Arthouse-Bereich. Als Haneke nun von einem Produzenten gefragt wurde, ob er den Film neu drehen würde, sagte er zu unter der Bedingung, dass Naomi Watts die Hauptrolle spielen sollte.
Die Schauspielerin, die auch schon Opfer von King Kong war, brilliert bei Haneke als Bilderbuchfrau aus dem oberen Mittelstand, die mit ihrem Mann George und Sohn Georgie ins Ferienhaus zum Segeln fährt. Die ersten Bilder sind Idylle pur: die gut gelaunte Familie im noblen Geländewagen, das Boot im Schlepptau und im CD-Player Opernmusik. Die Drei vertreiben sich die Zeit mit einem Ratespiel: Welche Musik ist das, wie heißt der Komponist? Doch schon während des Vorspanns kracht kreischendes Heavy-Metal-Geschrei in die Szene, blutrote Buchstaben legen sich über die Bilder.
Am Ferienort angekommen, spüren Ann und George sofort, dass etwas nicht stimmt. Zwei scheinbar wohlerzogene junge Männer (Michael Pitt und Brady Corbet) im vornehmen Sportdress und mit weißen Handschuhen bitten um ein paar Eier und entpuppen sich als Psychopathen, die zu viele Gewaltvideos gesehen haben. Sie brechen dem Ehemann das Bein, fesseln die Frau und zwingen die Eingesperrten zu einer Reihe von Spielen, von denen das jeweils nächste immer noch perfider ist als das vorangegangene.
So weit, so gewalttätig. Aber Haneke ist kein Meister des Horrorfilms, sondern ein Meister der schleichenden Verunsicherung. Was mit Menschen geschieht, denen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, die jegliche Sicherheit verlieren, die total ausgeliefert sind an eine unbegreifliche Welt – diese existenzielle Ausnahmesituation hat der Österreicher zuletzt in Caché (Regiepreis in Cannes 2005) und in Wolfzeit / Le temps du loup ausgeleuchtet. Auch in Funny Games U.S. findet das Grauen nicht im Bild statt, sondern vor allem auf der Tonspur. Man sieht keinen einzigen Mord, kein totes Gesicht, keine gemarterten Körperteile.
Das ist der eine Aspekt, weshalb Horrorfans nicht auf ihre Kosten kommen. Der andere ist genauso wichtig: Haneke vermeidet jegliche Identifikation mit den Tätern. Dafür sorgt schon die aberwitzige Höflichkeit, mit der die Folterknechte ihre Gräuel kommentieren. Etwa wenn der eine in die Küche geht und fragt, ob er den Opfern etwas mitbringen soll, während der andere den Sohn erschießt. Die Sprache und das Auftreten der beiden Oberklasse-Bubis stehen in solchem Kontrast zu ihren Handlungen, dass die Künstlichkeit Distanz schafft. Verstärkt wird diese Wirkung durch klassische Verfremdungseffekte, etwa wenn einer der Täter aus dem Spiel heraustritt, direkt in die Kamera blickt und den Zuschauer fragt, was er von dem Ganzen hält.
Haneke steht ohne Wenn und Aber auf Seiten der Opfer. Schonungslos und mit aller Deutlichkeit, zum Teil in quälend langen Einstellungen lässt er den Zuschauer erleben, was die Todesdrohung mit Menschen macht. Das ist als Lektion für Gewaltkonsumenten gedacht, erreicht sie aber auch in der US-Fassung nicht. Das Remake spielte in den amerikanischen Kinos lediglich 1,4 Millionen Dollar ein. Nun kommt es nach Europa. Vielleicht finden sich hier ja genügend Freunde eines reflexionsfreudigen Kinos, die es halten wie die Schauspielerin Juliette Binoche. Die hat über Hanekes Filme gesagt, man könne nicht immer in der richtigen Stimmung für sie sein. Aber: „Von Zeit zu Zeit sollte man sie sich ansehen.
GB / USA / F 2008, 112 Min., R: Michael Haneke , Mit: Naomi Watts, Michael Pitt, Tim Roth, Brady Corbet