Die grosse Stille
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Philip Gröning macht in seinem dokumentarischen Experimentalfilm Die große Stille Zeit erlebbar und nähert sich dabei dem ritualisierten Alltag eines Schweigeordens im Kloster „La Grande Chartreuse“.
"Manchmal dauert es etwas länger, bis Filme tatsächlich das Licht der Welt erblicken und Gestalt annehmen. Im Falle von Die große Stille waren es sage und schreibe 20 Jahre. Denn das erste Treatment des Films des deutschen Regisseurs Philip Gröning datiert auf das Jahr 1984. Schon damals hatte Gröning die Idee gehabt, einen Film über das Leben des Karthäuser-Ordens zu drehen, einer der strengsten Bruderschaften innerhalb der römisch-katholischen Kirche, die bis auf das Jahr 1084 zurückgeht.
Unter beinahe vollständigen Schweigen, das nur einmal in der Woche während eines Spaziergangs gebrochen wird und fast ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt widmen sich die Mönche viele Stunden am Tag dem Gebet und der stillen Einkehr, die zumeist in der Zelle und nur zu den bewusst einfach gehaltenen liturgischen Zeremonien gemeinsam vollzogen wird. Das Mutterhaus des Ordens, „La Grande Chartreuse“ liegt in den Felsmassiven unweit von Grenoble, weltweit gibt es 19 Karthausen mit 370 Mönchen und fünf Frauenkonvente mit etwa 75 Nonnen.
Die Abkehr von der Welt – zentraler Punkt in den Jahrhunderte alten Regeln der Karthäuser - war es auch, die das Filmprojekt verzögerte, und es grenzt an ein Wunder, dass dieser Film tatsächlich realisiert werden konnte. Denn zuletzt erhielten französische Filmemacher in der 1960er Jahren die Erlaubnis, Aufnahmen in der Grande Chartreuse“ zu machen, allerdings nur unter der Auflage, keine Gesichter zu zeigen. Umso mehr erstaunt es, dass 1999, nach 15 Jahren schließlich doch die Erlaubnis kam, in „La Grande Chartreuse“ zu drehen.
Sechs Monate lang nahm Philip Gröning, ganz auf sich allein gestellt, teil am Leben der Mönche, er begleitete ihren Alltag mit der Kamera, ohne jede Assistenz von Licht und Ton, eingebunden in den Rhythmus des Ordens, der selten mehr als drei Stunden Schlaf am Stück erlaubt.
Über weite Teile ist der beinahe dreistündige Film einfach stumm und öffnet so die Augen und Ohren für das Ungehörte, für Schritte, Glockengeläut, das Umblättern einer Buchseite oder das Knarren von Holz. Auch die Bilder, zumeist mit Super 8 oder der HDCAM aufgenommen, sind denkbar einfach gehalten und bestechen durch ihre Klarheit und Kargheit, durch eine unglaubliche Sinnlichkeit, die die Grobheit der Kutten, die Falten und Runzeln, das pure und nackte Leben der Mönche inszeniert und zelebriert –eine Meditation über die Innehalten in einer rasenden Welt. Oftmals scheint die Zeit in diesem Film stillzustehen, gedehnt und bis ins Unendliche ausgeweitet zu sein, ein absolutes Gegenmodell zu den hektischen Schnitten und schnellen Bildfolgen, die mittlerweile auch den Dokumentarfilm beherrschen.
Vielleicht ist es ja gerade diese Teilnahme am strengen und einfachen Alltag, die diese Art des Lebens so faszinierend macht, zumindest für 160 Minuten im Kino."
kinozeit.de
F/CH/D 2005, 162 Min., R: Philip Gröning, Nicolas Humbert, B: Philip Gröning