Dias de Santiago
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Nach 6 Jahren Dienst beim Militär, in denen er gegen terroristische Aufstände und Drogenhändler an der ecuadorianischen Grenze bekämpfte, kehrt Santiago in seine Heimatstadt Lima zurück. Er sehnt sich nach einem normalen Leben, nach Arbeit und Familie. Doch seine Erwartungen werden enttäuscht, denn er sieht sich mit seiner zerrütteten Familie und einer chaotischen Gesellschaft konfrontiert. Bei seinem Kampf um Anpassung und Integration gerät er immer wieder in den Konflikt zwischen dem Wunsch nach Normalität und seinen Erinnerungen an die Ordnung und den Schrecken des Krieges.
Neben der psychologischen Darstellung der Hauptfigur geht es in DIAS DE SANTIAGO auch um die Problematik, dass die peruanische Regierung ihre Jugendlichen einem Krieg opfert, der in den Köpfen der Gesellschaft längst vergessen ist, so dass die Heimkehrenden weder soziale noch finanzielle Anerkennung erfahren.
„Josué Méndez hat in New York studiert und knüpft stilistisch an die besten Traditionen der „American Independents“ an. Die Titelfigur Santiago bekommt nach seinem Ausscheiden aus der Armee kein Bein mehr auf den Boden; seine militärische Denkweise macht es ihm unmöglich, sich in den Alltag einzufinden. Der Film erzählt lakonisch, mit unterkühltem Humor und im Wechsel von Farb- und Schwarz-Weiß-Einstellungen eine ebenso universelle wie lokale Geschichte. Zudem besitzt er [...] narrative und stilistische Frische [...].“ film-dienst
„Ein überraschend intensiver Erstling“ Variety
Bemerkenswert ist, dass Dias de Santiago ohne jegliche Rückblenden in die Zeit von Santiagos Armeedienst auskommt. Der Zuschauer bekommt keinerlei Kriegsgräuel zu sehen. Es sind nicht diese Spuren, die der Krieg hinterlässt, die uns Josué Méndez zeigen will, sondern jene, die sich tief in die Seele des Soldaten hineingefressen haben, der sonst üblicherweise nur als Verursacher obengenannter Untaten auftritt. Die düstere Vergangenheit kommt immer wieder in Santiagos Gedanken und seinem Handeln zum Ausdruck, denn noch immer denkt und fühlt er als Soldat. Während ihn die Kamera durch überfüllte Strassen und leere Gassen begleitet, mal von hinten, mal von vorn, gibt es für ihn immer nur eins: beobachten, analysieren, den Feind ausmachen, in Deckung gehen. Selbst ein Mädchen in der Disco ansprechen wird, wie vieles andere, zur minutiös geplanten und in Gedanken mehrfach durchgespielten Mission, der jedoch ein entscheidender Mangel anhaftet: sie wird nie ausgeführt. Der junge Veteran wurde zur Waffe gemacht und dadurch gleichzeitig zu einem zivilen Rohrkrepierer. Jegliche Versuche mit seiner Umwelt in Kontakt zu treten führen unweigerlich ins Desaster.
"Todo tiene su orden, todo tiene su orden...", alles hat seine Ordnung, murmelt Santiago mehrmals um sich zu sammeln und zu beruhigen. Wobei Méndez hier auf die Flucht des Peruaners in seine ehemalige Militärzeit anspielt, denn eine "orden" ist auch ein (militärischer) Befehl. Dies zeigt der Regisseur aber auch in zugleich ästhetischen und traurigen Bildern, wenn er Santiago beim Schlafen, oder eher "die Nacht durchwachen", zeigt, im Tarnanzug und das Gesicht vollkommen vermummt. Dias de Santiago ist auch das Porträt einer Stadt, in der kaum etwas seine "orden" hat. Veteranen, die gezwungen sind Banken auszurauben, sexueller Missbrauch in der Familie, Verfall von Sitte und Moral und Studenten, die statt zu lernen lieber koksen und festen. Unter anderem auch daran zerbricht der sensible Santiago schlussendlich.
Krieg kennt nur Opfer, das kann nicht genug gesagt werden. Schöne Bilder, passende Musik und gutes Schauspiel (die meisten Darsteller sind "Filmneulinge" und waren vorher nur auf der Bühne aktiv), vermitteln dem Zuschauer diese triste Botschaft auf zugleich behutsame und eingängige Weise.
Peru 2004, 83 Min., OmU, B+R: Josue Mendez, Mit: Alheli Castillo, Erick Garcia, Ivy La Noire, Ricardo Mejía u.a.